Drei Chöre lernen von den Profis

Gesang Ensembles nehmen an einem Workshop mit den A-cappella-Profis teil – tonArt will Festival etablieren
Nassau. Proben, Büffeln, Schwitzen: Das war, grob zusammengefasst, beim Nassauer Chor-Workshop angesagt. Und Spaß haben: Das legten zumindest die hoch konzentrierten, aber fröhlichen Gesichter nahe, in die man während der fünfeinhalbstündigen Veranstaltung im Vorfeld des abendlichen Konzertes blicken konnte.

Die Idee dazu hatte Willi Becker, Projektleiter Musik beim Kultursommer Rheinland-Pfalz. Er stellte den Kontakt zwischen dem Nassauer Chor tonArt und dem Hannoveraner A-cappella-Quintett vocaldente her. tonArt erklärte sich schnell bereit, einen Workshop mit den fünf international erfolgreichen Sängern zu organisieren, die als Ensemble seit 2004 bestehen und, in sich verändernder Zusammensetzung, bei Wettbewerben unter anderem in den USA, Taiwan und Finnland bereits einiges an Preisen abgeräumt haben. Logisch, dass man von solchen Profis noch viel lernen kann, sagten sich der Junge Chor Koblenz, der Jazz!Chor Neuwied und das Ensemble CHORiander aus Höhr-Grenzhausen, die an dem Workshop in Nassau teilnahmen. Aber auch umgekehrt profitiere man sehr von der Sache, versicherten eingangs die Herren Alex, Ben, Jakob, Tobek und Tobi, die Wert darauf legen, ohne ihre Nachnamen in der Öffentlichkeit aufzutreten: „Als Fachidiot hat man manchmal einen regelrechten Tunnelblick. Die Workshop-Arbeit gibt einem die Möglichkeit zu sehen, dass da ja ein Baum im Wald steht.“

Bewegung und komische Laute

Beine ausschütteln, Ausfallschritte nach links und rechts machen, Zieh- und Wurfbewegungen mit den Armen vollführen und dabei komische Geräusche wie „Babalababalababa“ oder „Hodalihodaliohosa“ produzieren: Das Einsingen findet noch für alle gemeinsam in der Stadthalle statt. Dann gehen die Chöre getrennt voneinander in Klausur. „Format und Präsentation“ lautet das Thema des Workshops, der im Museumssaal des Günter-Leifheit-Kulturhauses stattfindet. Oder, wie Alex und Ben es formulieren: „Es geht um Performance.“ Wie die verbessert werden kann, übt das Höhr-Grenzhausener Ensemble CHORiander gerade am Beispiel des Beatles-Songs „I want to hold your hand“. Gut, dass der Chor beim Singen nicht steif dasteht, sondern sich aktiv bewegt, lobt Ben: „Aber es wäre schön, wenn ihr dabei auch ein einheitliches Bild abgeben würdet.“ Also heißt es zunächst, an der Simultanität der Bewegungen zu feilen. Und noch etwas: „Phrasiert mehr“, rät Alex. Womit er meint, dass die Sänger deutlichere Sinnabschnitte setzen sollen. Auf dem Weg dorthin hilft ein ebenso plastisches wie an diesem schwül-heißen Tag erfrischendes Bild: „Stellt euch vor, vor euch steht ein Bottich voller Wasser. Wenn ihr die Phrase singt, streicht ihr mit gespreizten Fingern durchs Wasser – dann hat das Ganze automatisch mehr Zug und Fluss.“
Auch ein paar Stockwerke tiefer, im Kulturkeller, wo parallel der Workshop mit dem Titel „Rhythmus: Timing, Phrasierung und Mouth Percussion“ läuft, kommt der Wasserbottich zum Einsatz. Und als trockene Alternative auch das Endlosseil: „Stellt euch vor, dass ihr daran zieht und es Stück für Stück einholt“, raten Tobek, Tobi und Jakob dem Jazz!Chor Neuwied, der gerade der 1960er-Jahre-Ballade „The Shadow of your Smile“ den letzten Schliff verpasst: „Dann bekommt euer Gesang nämlich, und das ist ganz wichtig, eine einheitliche Linie.“

Nicht stur aufs Thema festgelegt

Beim Grooven auch mal lächeln und die Melodie nicht zu laut singen, sondern sich von der Rhythmusgruppe tragen lassen, sind zwei von vielen Tipps, die der Jazzchor mit auf den Weg bekommt – was wiederum zeigt, dass die drei Workshops thematisch nicht stur voneinander getrennt über die Bühne gehen. Im Gegenteil: Wo es sich anbietet, greifen die fünf jungen vocaldente-Herren auch außerhalb des eigentlichen Themas liegende Schwächen, musikalische Fallstricke und Verbesserungsmöglichkeiten auf.
So auch beim Jungen Chor Koblenz, der in der Stadthalle unter dem Arbeitstitel „Voiceblending und Intonation“ an einer ebenso eigenwilligen wie apart anzuhörenden Version des Volkslieds „Zum Tanze da geht ein Mädel mit güldenem Band“ feilt. „Ihr singt auch in den leisen Passagen sehr ausdrucksvoll“, lobt Ben und fügt im nächsten Atemzug hinzu: „Aber da muss noch viel mehr Power und Dynamik rein.“ Womit wir wieder bei der Performance wären: „Sucht euch, damit der Funke überspringt, jemandem im Publikum aus, den ihr quasi ansingt.“
Wetten, dass die Chöre den einen oder anderen Tipp aus den Workshops ein paar Stunden später beim Konzert schon umgesetzt haben? Wobei es, wenn es nach dem Willen der Organisatoren geht, künftig öfter solche Chor-Workshops geben soll. „Längerfristig möchten wir hier in Nassau ein Festival etablieren, dass die Chor- und Vokalmusik in den Vordergrund stellt“, berichtet tonArt-Sprecher Thomas Diel. Wäre schön, wenn es klappen würde.

Ulrike Bletzer, Rhein-Lahn-Zeitung

tonArtvocalKonzert

Heimspiel auf der Nassauer Bühne: tonArt krönt unter Leitung von Achim Fischer den von ihm organisierten Workshoptag mit einem Auftritt im Vorfeld des vocaldente-Konzerts. Fotos: Gresch

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