„Mit einem Kinderchorprojekt haben wir das Interesse von Kindern und Jugendlichen in der VG Nassau ausgetestet.“
CHORPORTRÄT SINGENDES LAND
In unseren Chorporträts möchten wir Ihnen Chöre vorstellen, die – entgegen der landläufigen Meinung zum „Chorsterben“ – mit neuen, anderen Konzepten erfolgreich sind. Wir haben deren Mittel und Wege hinterfragt, denn es gibt sie: Chöre, die Mut machen. Ein solcher Chor ist auch „tonArt“ aus Nassau an der Lahn. Die gelungene Neugründung von Kinder- und Jugendchören sowie deren erfolgreicher Auf- und Ausbau durch eine adäquate Chorleitung sind lohnende Investitionen in die Zukunft, um den Fortbestand von Chören und Chorvereinen zu sichern — die Nachwuchsförderung in die eigene Hand nehmen. Die „tonArtisten“ haben sich dieser anspruchsvollen Aufgabe gestellt und der Erfolg gibt ihnen Recht. Vom „tonArt“-Chorsprecher, Thomas Diel, erfuhren wir mehr über die Ziele und Ideen für den Chor „tonArt“ und dessen „tonArt kids“.
Wie ich eurer Website entnommen habe, ist „tonArt“ Nassau ja noch ein echter „Teenie“, mit gerade einmal 16 Jahren ein noch recht junger Chor. Kurz umrissen: Wie ist die Chorentwicklung bis heute verlaufen?
Wir waren damals mit acht Personen und schon seit langer Zeit, durch das gemeinsame Singen und Musizieren, eng befreundet. Dazu entschlossen, den bisherigen gemischten Chor zu verlassen und neue Wege zu gehen, setzten wir 2002 den Gedanken in die Tat um. Seither ist unsere Chorgemeinschaft stetig, aber auch gesund auf aktuell 29 Sängerinnen und Sänger gewachsen. Es war damals ein Risiko, ja, aber es erwies sich rückblickend als absolut richtig. Das Ganze bestärkt mich auch noch in meinem heutigen Denken und Handeln als Chorsprecher, neue, unter Umständen auch schwierige Wege zu gehen.
Was hattet ihr denn damals unternommen, um einen Chorleiter für euch zu finden?
Naja, eine der acht Gründungspersonen war unser jetziger Chorleiter, Achim Fischer. Er hat es von Anfang an prima verstanden, die „tonArtisten“ so zu motivieren und zu einer Gemeinschaft zu formen, dass wir heute in der Region einen „guten Namen“ haben. Achim wie auch meine Vorgänger und auch ich persönlich hatten und haben sich stets zum Ziel gesetzt, einfach gute Chormusik für Laien zu präsentieren. Ganz im Einklang mit unserem Motto „Singen macht Freu(n)de“. Besonders wichtig sind uns unsere Konzerte oder Auftritte, auch mit Benefizgedanken. So haben wir bereits viele Benefizkonzerte, zuletzt im Herbst 2017, für das stationäre Hospiz Rhein-Lahn veranstaltet. 2011 gaben wir — als Ideengeber und Motivator — gemeinsam mit den St. Martins-Chören und der evangelischen Kantorei Bad Ems ein großartiges Konzert für die Erdbebenopfer in Fukushima. Unser Gedanke, dass wir auch „etwas zurückgeben“ müssen, steht immer dahinter. Wohl wissend, dass wir auf der Sonnenseite des Lebens stehen, engagieren wir uns sehr gerne für soziale Projekte.
Bereits 2014 habt ihr mit den Planungen begonnen, ein Kinder- und Jugendchorprojekt auf die Beine zu stellen und damit den Grundstein für eure „tonArt kids“ gelegt. Wie kam es dazu? Wer hatte die Idee?
Ein im Sommer 2014 geführtes Gespräch mit dem Bürgermeister der Stadt Nassau, Armin Wenzel, und Willi Becker vom Kultursommerbüro zum geplanten Projekt für 2016 „VOCES8 in Nassau“ lieferte die ausschlaggebende Grundlage. Nachdem ich mich in das Thema eingelesen hatte und auch durch Herrn Becker erfahren habe, dass „VOCES8“ tolle Coachings mit Kindern und Jugendlichen durchführt, erkannte ich die Möglichkeiten. Mir war damit klar, dass wir das „VOCES-8-Projekt“ auch Kindern und Jugendlichen an den Schulen der Verbandsgemeinden Nassau und Bad Ems anbieten wollten. Dies war auch der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass „tonArt“ einen Kinder- und Jugendchor gründen sollte.
Und wie ging es dann 2016 mit dem Projekt weiter?
An einem Donnerstagvormittag nahmen ungefähr 400 Kinder und Jugendliche in der Stadthalle Nassau an dem Projekt mit „VOCES8“ teil. Am Nachmittag, auf dem Campus in Nassau, waren es dann nochmals 150. Das Ganze war höchst beeindruckend und motivierend. Aufgrund der uns bekannten Hintergründe hatten wir im Vorfeld bereits ein Jahr Vorarbeit geleistet. Denn schon 2015 starteten wir mit einem Kinderchorprojekt zum Musical „Der Schweinachtsmann“. Damit wollten wir einfach mal das Interesse von Kindern und Jugendlichen in der VG Nassau austesten und haben voll ins Schwarze getroffen: Unter der Leitung von Monika Bär kamen auf Anhieb 37 Anmeldungen zum Kinderchorprojekt zusammen.
Also ein exzellenter Start …
Ja, ganz sicher. Und so ging es weiter. Mit meinem Team machten wir uns — nach dem „Schweinachtsmann-Projekt“ und „VOCES8“ — umgehend daran, für 2017 die „tonArt kids“ auf Dauer zu etablieren. Aufgrund der Erfahrungen, die Monika Bär mit ihrem Team im Projekt gemacht hatte, wollten wir auf jeden Fall eine Trennung der Altersgruppen vornehmen. Zunächst sollten es zwei, dann aber sogar drei Gruppen sein, mit denen wir starten wollten. Im Mai 2017 führten wir wiederum eine Infoveranstaltung durch. Das überwältigende Ergebnis: über 50 Anmeldungen für unsere drei „tonArt Kids“-Kinder- und Jugendchöre. Nach den Sommerferien 2017 ging’s dann los. Und jetzt, am 2. September 2018, haben wir das Premierenkonzert „tonArt präsentiert die tonArt kids“. Wir können dort unsere drei Chöre, die „tonArt Singmäuse“, geleitet von Monika Bär, den „tonArt Kinderchor“, der von Petra Schönrock-Wenzel geleitet wird, und den „tonArt Jugendchor“, unter der Leitung von Fabian Glück, auf der Bühne von „tonArt Nassau“ begrüßen. Ich denke, dies ist ein ganz wichtiger Baustein für die Zukunft des Chorsingens in der Region, insbesondere aber natürlich für „tonArt“.
Was denkt ihr, macht euch besonders, was unterscheidet „tonArt“ von anderen Chören?
Es ist unsere gelebte Historie unter dem Motto „Singen macht Freu(n)de“, dazu ein Chorleiter, der es immer wieder verstanden hat, den Chor auf den Punkt vorzubereiten, um dann natürlich beim Konzert sowohl das Publikum als auch die „tonArtisten“ selbst zu begeistern. Das alles hat uns zu einer „Einheit“ werden lassen, die sehr gute Leistungen zu erbringen vermag, was dann auch das Publikum spüren und erleben kam.
Wenn ich mir auf der Website die Rubrik „Vorstand“ anschaue, sehe ich keinen Vorsitzenden, sondern lediglich zwei Chorsprecher.
Ja, das stimmt. Wir haben dies auch so in unserer Satzung verankert. Durch die „offene“ Gestaltung eines Vorstandes wollen wir uns ebenso als „Chor e.V.“ anders präsentieren als üblich. Den Vorstand bilden der Chorsprecher, die stellvertretende Chorsprecherin, die Schriftführerin, der Kassierer sowie unser Chorleiter.
Ist es richtig, dass ihr sogar die Leifheit AG zu eurem Förderkreis zählt?
Nein, das nicht gerade. Jedoch konnten wir den „Bildungspakt Nassau“ als Förderer für unsere „tonArt Kids“ gewinnen, ohne die eine Finanzierung der Kinderchöre nicht möglich gewesen wäre. Weiterhin ist uns die Förderung, sowohl für „tonArt“ als auch für die „tonArt kids“, durch die „G. und I. Leifheit Stiftung“ gelungen. Wir sind sehr dankbar, dass diese Einrichtungen uns als junges Chorensemble unterstützen und dadurch auch handlungsfähig machen.
Der Einzugsbereich von „tonArt“ ist ja relativ groß. Wie habt ihr es geschafft, so „sexy“ auch für Sängerinnen und Sänger aus dem weiteren Umland zu sein?
Ich denke mal, durch unser aktives Tun und Handeln: Das Mitwirken bei Konzerten, die direkte Ansprache potenziell interessierter Sänger/-innen, durch gute Pressearbeit mit einem top gepflegten Internetauftritt durch unseren Chorleiter. Es gibt — leider — kein Patentrezept. So bin ich immer dafür, Dinge auszutesten. Denn dieses Austesten ist immer besser als nichts zu tun, auch wenn’s mal nicht ganz so funktioniert.
Nehmt ihr auch das Chorcoaching-Angebot des Chorverbandes in Anspruch?
Ja, sehr gerne. Es ist eine weitere Bereicherung, für die wir sehr dankbar sind. So haben wir zum Beispiel an einem Coaching mit Carsten Gerlitz und Jan Schuhmacher teilgenommen und konnten mit Michael Reif einen kreativen Tag erleben. Für den Dezember 2018 haben wir uns bereits zum Coaching mit Oliver Gies und mit Erik Sohn im Februar 2019 angemeldet. Wir sind schon gespannt und freuen uns sehr darauf. Zuvor dürfen wir, am 28. August, noch ein kurzes Spezialcoaching mit AMACORD erfahren, dies jedoch nicht auf Initiative vom CV.
Was habt ihr in den kommenden Monaten an weiteren Aktivitäten vor?
Wie schon beschrieben, freuen wir uns sehr auf das kommende Premierenkonzert mit unseren „tonArt kids“ am 2. September. Im Oktober folgt eine musikalische Begleitung des „Nachtklang Gottesdienstes“ in Dausenau und im Januar 2019 das Neujahrskonzert der Stadt Nassau, an dem wiederum auch die „tonArt kids“ teilnehmen werden. Am 11. Mai begrüßen wir TonArt Hambuch für ein gemeinsames Konzert „tonArt trifft TonArt in Nassau“. Für 2020 sind bereits eine CD-Aufnahme sowie eine Chorfahrt fest eingeplant.
Abschließend noch die Frage: Was bewegt Thomas Diel, sich für das Chorsingen zu engagieren?
Wie alle Chöre sehen wir die Vereinsarbeit im Allgemeinen mit Besorgnis. Auch speziell die negative Presse — „Ein weiterer Chor gibt auf“ usw. — störte mich erheblich, auch, wenn sich dies mittlerweile gebessert hat. Aber es wurde nur und — gefühlt — immer wieder über diese negativen Dinge berichtet, anstatt nach vorne zu denken, in die Zukunft gerichtet zu überlegen und zu handeln. Und ich hatte mir, ehrlich gesagt, auch stärkere Unterstützung durch den CV erhofft. Da viele unserer Chorsänger, auch ich selbst, schon von Kindheit an oder als junge Erwachsene in einem Chor singen, wollte ich mich nicht der negativen Stimmung anschließen. Wir wollten etwas in die andere Richtung bewegen und hatten daher, unter anderem, „tonArt vocal“ in den Jahren 2015 und 2016 mit hervorragenden Ensembles durchgeführt. Dies sollte sowohl unsere „tonArtisten“ fördern als auch auf den Chor aufmerksam machen. Die Ensembles hatten nicht nur unvergessliche Konzerte mit „tonArt“ durchgeführt, sondern auch die „tonArtisten“ intensiv gecoacht. „tonArt vocal“ soll auch weiterhin „Leckerbissen“ für die Region bereithalten. So haben wir gerade, gemeinsam mit dem St.-Martins-Chor Bad Ems und den Kulturfreunden VOCAL, ein Wahnsinns-Konzertereignis für die Region veröffentlicht: Ein Konzert mit CHANTICLEER, am Dienstag, dem 5. Februar 2019, im Kurtheater Bad Ems. Für alle SiLa-Leser ganz bestimmt ein echtes Erlebnis.
Lieber Thomas Diel, vielen Dank für die Einblicke und euch weiterhin viel Erfolg auf eurem Weg.
THOMAS DIEL ist 56 Jahre alt und glücklich mit einer tonArtistin verheiratet. Er ist Fachwirt für Finanzberatung und Subdirektor bei der NÜRNBERGER Versicherung. Seine Sängerkarriere begann mit 8 Jahren in den St. Martins-Chören Bad Ems, die im Alter von 13 Jahren eine neue Heraus- forderung bei den Bad Emser Lerchen suchte. 1978 war er Mitgründer der „Bad Ems Singers“ und hat dort auch einige Jahre Vorstandaufgaben übernommen. 2002 war er Mitgründer von tonArt, seit 2011 ist er dort im Vorstand tonArt und seit 2013 1. Chorsprecher.