Erfolg Chor tonArt und Lahnsin(n)fonie-Blasorchester traten gemeinsam auf
Nassau. Da soll noch mal einer behaupten, die Nassauer seien in puncto Kulturinteresse schwach auf der Brust. Wer diesem Gerücht aufsaß, wurde spätestens beim Betreten der Stadthalle nachdenklich: Der Saal war proppenvoll, die Stimmung schon vor Veranstaltungsbeginn bestens.
Was zum Teil natürlich am Lokalkolorit gelegen haben mag. „Ich bin stolz darauf, dass wir dieses Konzert ausschließlich mit heimischen Kräften gestalten können", sagte Armin Wenzel, als Bürgermeister der veranstaltenden Stadt Nassau quasi Chef im Ring, und schob augenzwinkernd nach: „Auch wenn sich ein paar Ausländer, zum Beispiel aus Bad Ems, unter den Mitwirkenden befinden."
Schon lange hatten der 2002 gegründete Chor tonArt und das erst rund zweieinhalb Jahre alte Lahnsin(n)fonie-Blasorchester Nassau einen gemeinsamen Auftritt geplant. Jetzt, beim Neujahrskonzert namens „Mundgeblasen", war es also so weit: Chor und Orchester zeigten mit vereinten Kräften, was sie in puncto Nassauer Musik- und Kulturszene so draufhaben.
Und das ist eine Menge, wie sich alsbald herausstellte. Die 25 Tonartisten unter Leitung von Achim Fischer, die den ersten Part übernahmen, wussten mit ihrem zugleich von hoher technischer Präzision und emotionaler Ausdruckskraft geprägten A-cappella-Gesang praktisch von der ersten Minute an zu überzeugen. Wobei sich der musikalische Bogen quer über die Kontinente spannte: Von schwedischen Kompositionen wie Wilhelm Peterson-Bergers Gebirgslied „Pa Fjeldesti" über „Deep River" und andere afroamerikanische Spirituals bis zu dem Broadway-Song „You'll never walk alone" und dem deutschsprachigen Schmachtfetzen „Aber dich gibt's nur einmal für mich" hatte das Ensemble eine spannende internationale Mischung im Gepäck – ebenso kurzweilig wie informativ vorgestellt von Patrizia Weber, der charmanten und bei Bedarf auch singenden Moderatorin, die sich die Tonartisten von den Lahnsin(n)fonikern ausgeliehen hatten. Die überaus saubere Artikulation und Modulation des Gesangs und das mühelose Meistern auch komplizierter Stimmführungen, etwa in Hugo Alfvéns „A maiden is in a ring", dürften wohl das sein, was von diesem Auftritt am nachhaltigsten in Erinnerung bleibt.
Pause und Paradigmenwechsel. Rund 50 Flötisten, Klarinettisten, Saxofonisten und sonstige Blechbläser betreten die Bühne – und heizen dem Publikum umgehend mit fetziger Filmmusik ein. Der Titelsong aus dem aktuellen James-Bond-Thriller „Skyfall" machte den Anfang beim Auftritt des Lahnsin(n)fonie-Blasorchesters Nassau, wobei die Instrumentalisten stimmgewaltige Unterstützung von Patrizia Weber bekamen. Nicht nur bei „Skyfall", sondern auch bei dem Jazz-Standard „It's only a paper moon" und dem unsterblichen Sinatra-Ohrwurm „New York, New York" begleitete die Moderatorin und nun also auch Solistin das Orchester – und elektrisierte das Publikum postwendend mit ihrer warmen, vibrierenden, zwischen Soul und Jazz changierenden Stimme. Dazu mit Julia Mädrich und Fabian Wehnert zwei weitere hervorragende Solisten: Während Julia Mädrich trotz Abi-Stress mit einer äußerst dynamischen „Flashdance"-Interpretation punktete, glänzte Fabian Wehnert mit dem Lied „Die Musik der Nacht" aus dem Andrew-Lloyd-Webber-Musical „Das Phantom der Oper". Hier hatten die Bläser ausnahmsweise mal Pause, denn der junge, sich bereits auf hohem musikalischem Niveau bewegende Sänger wurde ausschließlich von Katja Schmaglinski am E-Piano begleitet.
„Maynard Madness", „Mission: Impossible Theme", dazu jeweils ein Medley aus „Mamma Mia!" und verschiedenen Disney-Filmmelodien – es war ein ausgesprochen modernes Repertoire, das die Lahnsin(n)foniker unter Leitung ihres Dirigenten Kay Gutjahr da zu Gehör brachten. Nur ein Problem sei in diesem Zusammenhang anzumerken: Wer die Füße stillzuhalten versuchte bei ihren spritzigen, ins Blut gehenden Darbietungen, hatte keine Chance.
Logisch, dass die Spannung in dem gleichen Maß stieg, wie das gemeinsame Finale von Tonart und Lahnsin(n)fonie nahte. Jetzt standen mit Bläsern, Chorsängern und den drei Solisten mehr als 80 Musiker auf der Bühne. Dazu waren mit „Aber bitte mit Sahne", „Heal the world" und „We are the world" drei weitere, mit viel Gefühl und Können vorgetragene Evergreens angesagt.
Und dann war die Zeit für die fluoreszierenden Strohhalme gekommen, die die Besucher in ihre Programmheftchen eingeklebt vorgefunden hatten. Sie waren nicht etwa, wie der Titel der Veranstaltung eventuell hätte suggerieren können, zum Strohhalmblasen gedacht. Sondern sie wogten quasi als Wunderkerzen-Ersatz irrlichternd durch die Stadthalle – ein origineller Einfall und zugleich ein stimmungsvoller Abschluss für ein rundum gelungenes Konzert.
Ulrike Bletzer