Nassau. Ende gut, alles gut: Als der Chor tonArt mit Sitz in Nassau 2019 seine erste und bisher einzige CD namens „Lieblingsstücke“ aufnahm, gab es einen klaren Plan. Im Frühjahr 2020 wollte man die auf die runde Scheibe gebrannten Lieder live bei einem Doppelkonzert in Nassau und Vallendar zu Gehör bringen. Im Frühjahr 2020? Ja, genau: Damals tauchte ein mörderisches Virus auf, das die Welt auf den Kopf stellte und nicht nur diesem Vorhaben einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machte.
„So ist es also gekommen, dass wir das Konzert vier Jahre statt nur wenige Monate nach der CD-Produktion geben“, begrüßte Chorsprecherin Sina Lempka das Publikum kürzlich in der voll besetzten Nassauer Stadthalle beim zweiten und diesmal von keiner wie auch immer gearteten Katastrophe ausgebremsten Anlauf. Ein Nachholtermin, wenn man so will – aber um es vorwegzunehmen: einer, der klarmachte, dass sich das Warten auf ganzer Linie gelohnt hat.
Den Einstieg ins Geschehen lieferten allerdings Akteure, die nicht auf der CD zu hören sind: Die tonArt-Kids gaben sich die Ehre. Und damit genau genommen gleich drei Ensembles: Zum sängerischen Nachwuchs des Chors zählen die drei- bis fünfjährigen Singmäuse unter Leitung von Monika Bär, der auf das Grundschulalter zugeschnittene Kinderchor rund um seine „Chefin“ Sabine Lucas sowie der von Ricarda Belz geleitete Jugendchor der circa 11- bis 16-Jährigen. Alle drei zusammen stimmten sie mit „Ich will euch begrüßen“, „Kommt, wir wollen Laterne laufen“ und „Lichterkinder“ auf die nun folgenden rund zwei Stunden ein, bevor der Kinderchor und der Jugendchor gekonnt Soloauftritte hinlegten und der erste Konzertblock mit tonArt-Kids, Erwachsenenchor und Mark Forsters fetzigem „Chöre“-Song seinen Abschluss fand. „Wir hoffen, dass durch diesen Grundstein einige der Kinder in ein paar Jahren im Erwachsenenchor mitsingen werden“, hatte Sina Lempka eingangs mit Blick auf die tonArt-Kids gesagt. Zumindest am Sonntag sah es ganz danach aus.
Dann waren die titelgebenden „Lieblingsstücke“ an der Reihe, die zwar nicht komplett, aber doch zu etwa zwei Dritteln mit denen der gleichnamigen CD deckungsgleich waren. Insgesamt 16 Beiträge waren es, die eine enorme Vielfalt an musikalischen Epochen und Stilrichtungen in sich bargen: So reichte das zeitliche Spektrum von zeitgenössischen Liedern eines Oliver Gies („Nette Begegnung“, „Das Rendezvous“) oder Ola Gjeilo („Ubi caritas“) bis zurück ins 16. Jahrhundert, das mit William Byrds „Ave verum corpus“ vertreten war.
Weitere geistliche Lieder aus Europa (Josef Rheinberger: „Benedictus“, Waldemar Ahlen: „Sommarpsalm“), aber auch amerikanische Spirituals und Gospels („I’ve Got Peace Like a River“, „Soon ah Will Be Done“, „Oh When the Saints Go Marching In“) brachten die Nassauer Tonkünstler ebenso überzeugend zu Gehör wie durch und durch Weltliches, etwa das Lied „May It Be“ der irischen New-Age-Musikerin Eithne Bharaonani. Schon mal Hoffmann von Fallerslebens „Kuckuck“ im Calypso-Sound oder die „Finlandia“-Hymne a cappella gehört? Bei diesem Wunschkonzert der besonderen Art hatte man Gelegenheit dazu.
Eine aparte Mischung also, deren Bestandteile einen gemeinsamen Nenner hatten: Die Sängerinnen und Sänger boten sie mit stets gleichbleibender musikalischer Qualität dar. Saubere Intonation, punktgenaue Einsätze, mühelose Übergänge von leisen, in der Dynamik zurückgenommenen zu massiven, mit viel Drive ausgestatteten Liedpassagen und umgekehrt und dazu ein außergewöhnlich homogener, voller Chorklang – Chorleiter Achim Fischer hatte mit den Tonkünstlerinnen und -künstlern im Vorfeld zweifelsohne ganze Arbeit geleistet.
Vollends zur runden Sache wurde das Konzert durch die ansprechende Moderation, die sich mehrere Chormitglieder untereinander aufteilten. Sie gaben nicht nur aufschlussreiche Hintergrundinformationen zu den verschiedenen Programmpunkten, sondern erläuterten hier und da auch, warum gerade dieses oder jenes Lied zu einem „Lieblingsstück“ avanciert war – beste Voraussetzungen, um auch auf der Favoritenliste des Publikums ganz weit nach oben zu rutschen.
„So ist es also gekommen, dass wir das Konzert vier Jahre statt nur wenige Monate nach der CD-Produktion geben.“
Chorsprecherin Sina Lempka zur Verzögerung während Corona